Drei Typen institutioneller Innovationen zeigen, wie man zukünftige Generationen heute politisch repräsentieren kann

Der Deutsche Bundestag beheimatet den Parlamentarischen Beirat für nachhaltige Entwicklung - ein Mitglied des Network of Institutions for Future Generations. (Foto: Robert Diam)

Die Entscheidungen, die wir heute in der Politik treffen, sei es in Bezug auf den Verlust der biologischen Vielfalt, den Klimawandel oder die Sozialversicherungssysteme, haben erhebliche Auswirkungen auf das Wohlergehen zukünftiger (d. h. noch nicht geborener) Generationen. Die Tatsache, dass zukünftige Generationen heute kein Mitspracherecht haben, kann zum Politikversagen beitragen. Aus einer demokratischen Perspektive sollten die Interessen aller von politischen Entscheidungen Betroffenen bei deren Formulierung berücksichtigt werden. Darüber hinaus fordert uns das Leitprinzip der nachhaltigen Entwicklung auf, neben den Bedürfnissen der heutigen auch die der zukünftigen Generationen zu berücksichtigen. Doch wie können wir den Menschen, die heute noch nicht leben, eine Stimme geben?

Mehrere Demokratien haben auf diese Herausforderung mit der Einrichtung spezieller Institutionen reagiert. So bildete das finnische Parlament 1993 den Ausschuss für die Zukunft. Kurz darauf, im Jahr 1995, setzte Kanada den Kommissar für Umwelt und nachhaltige Entwicklung ein. Beide Institutionen sind auch heute noch aktiv. Von 2001 bis 2005 gab es in der israelischen Knesset einen parlamentarischen Kommissar für zukünftige Generationen. Nach diesem Beispiel führte das ungarische Parlament im Jahr 2008 einen Ombudsmann für zukünftige Generationen ein, der allerdings von der Regierung Orbán im Jahr 2012 wieder zurückgestuft wurde. Der Kommissar für zukünftige Generationen in Wales ist ein aktuelles eindrucksvolles Beispiel dafür, wie Demokratien ihren institutionellen Rahmen weiterentwickeln, um zukünftige Generationen schon heute politisch zu berücksichtigen.

25 Institutionen in 17 Demokratien

In dem Artikel „Institutional Proxy Representatives of Future Generations: A Comparative Analysis of Types and Design Features“ habe ich das Konzept der institutionellen Proxy-Repräsentation zukünftiger Generationen entwickelt, um eine theoretische Grundlage für diese institutionellen Neuerungen zu schaffen. Das Konzept wurde anschließend genutzt, um ein umfassendes Inventar empirischer Beispiele für die institutionelle Proxy-Repräsentation zukünftiger Generationen in Demokratien weltweit zu erstellen. Im Rahmen dieser Analyse habe ich 25 Institutionen für zukünftige Generationen – sogenannte „Proxys“ – in 17 Demokratien identifiziert.

Die Proxys lassen sich anhand der Kriterien für die Auswahl ihrer Mitglieder in drei Typen unterteilen: Der fachkundige unabhängige Kommissar (Typ I), das politische oder administrative Beratungs- oder Koordinierungsgremium (Typ II) und Stakeholder-Rat für nachhaltige Entwicklung (Typ III). Für jeden Proxy (und Proxy-Typ) wurde analysiert, wie er aufgebaut ist und was das für seine formale Kapazität bedeutet, den politischen Entscheidungsprozess zu beeinflussen.

Drei Typen

Proxys des Typs I – die unabhängigen Kommissare – bestehen in der Regel aus Experten, die nicht der Regierung oder dem Parlament angehören. Dies ermöglicht es ihnen, die Interessen zukünftiger Generationen von einem professionellen Standpunkt aus zu vertreten, ohne dabei unter starker politischer Einmischung zu leiden. Diese Proxys verfügen häufig über solide Rechtsgrundlagen und spezifische Politikinstrumente, die in der Regel bei anderen Proxy-Typen nicht zu finden sind, z. B. gesetzliche Klagerechte, ein aufschiebendes Vetorecht, Ombudsperson-Funktionen, Gesetzesvorschläge und Prüfungsrechte, einschließlich unabhängiger Untersuchungsrechte. Zum Typ I gehören alle stärksten, aber auch einige der schwächsten Proxys, die in dieser Studie untersucht wurden. Die stärksten Proxys können die Interessen zukünftiger Generationen nicht nur artikulieren, sondern auch sicherstellen, dass sie vom Parlament oder der Regierung gehört werden. Allerdings ist die Überlebensquote von Proxys des Typs I vergleichsweise niedrig.

Die Proxys des Typs II – die politischen oder administrativen Beratungs- oder Koordinierungsgremien – sind gewissermaßen das Gegenmodell zu Typ I. Sie sind nicht unabhängig, sondern interne Bestandteile des politischen Systems und setzen sich entweder aus Mitgliedern des Parlaments oder aus Angehörigen der Ministerien zusammen. Sie arbeiten auf einer meist schwachen rechtlichen Grundlage und erbringen interne Beratungs-, Koordinierungs- und manchmal auch Monitoringleistungen, um die politische Entscheidungsfindung von innen heraus zum Wohle zukünftiger Generationen zu verbessern. Sie verfügen nur über begrenzte Politikinstrumente und können nur auf wenige Phasen des Politikzyklus einwirken, so dass sie in hohem Maße auf gute Arbeitsbeziehungen zu anderen Teilen des Parlaments und der Regierung angewiesen sind.

Proxys des Typs III – die Stakeholder-Räte für nachhaltige Entwicklung – sind ausgewiesene Teile der Nachhaltigkeitsgovernancearchitektur ihrer jeweiligen Länder. Nach den Grundsätzen der funktionalen Repräsentation und Partizipation werden die Mitglieder aus verschiedenen Sektoren der Gesellschaft ernannt, um die gesellschaftliche Reichweite zu vergrößern, die Regierung zu beraten und spezifische Politikempfehlungen zu formulieren, sowie mitunter auch die Nachhaltigkeitspolitik der Regierung zu überprüfen. Sie verfügen zwar nicht über besonders starke oder schwache formale Kapazitäten zur Beeinflussung der politischen Entscheidungsfindung, weisen aber die höchste Überlebensrate unter den drei Typen auf, was möglicherweise auf ihre Einbindung in die Gesellschaft zurückzuführen ist.

Gestaltungsmerkmale

Jeder Proxy wurde analysiert, um festzustellen, auf welcher Rechtsgrundlage er gegründet wurde, welche politischen Instrumente ihm zur Verfügung stehen und zu welchen Staatsorganen und Phasen des Politikzyklus er mit diesen Instrumenten Zugang hat. Die folgende Abbildung zeigt die Verteilung der Politikinstrumente auf die einzelnen Proxys und Typen. Die Proxys wurden mit diesen Instrumenten ausgestattet, um die politische Entscheidungsfindung zu begleiten und sich mit gesellschaftlichen Akteuren auszutauschen. Um mehr über den Zugang der Proxys zu den Staatsorganen und den Phasen des Politikzyklus sowie über ihre Rechtsgrundlagen und ihre formale Gesamtkapazität zur Beeinflussung der politischen Entscheidungsfindung zu erfahren, blättern Sie einfach durch die (englischsprachigen) Grafiken.

Eine bunte Landschaft institutionalisierter Stimmen zukünftiger Generationen

Insgesamt bietet das vielfältige und dynamische Spektrum an Proxys zahlreiche Beispiele für institutionelle Innovationen, die zeigen, wie die Interessen zukünftiger Generationen bei politischen Entscheidungen berücksichtigt werden können. Während sich einige dieser Proxys auch dann Gehör verschaffen können, wenn sie ignoriert werden, handelt es sich bei anderen womöglich eher um kosmetische als um weitreichende Reformen des demokratischen Entscheidungsprozesses. Daher ist es wichtig, seine Hoffnungen nicht nur in Proxys zu setzen, wenn es darum geht, signifikante politische Veränderungen zum Wohle zukünftiger Generationen zu bewirken. Für weitere detailliertere und inspirierende Ergebnisse können Sie die vollständige Studie hier herunterladen.

Quelle
Rose, Michael (2024): Institutional Proxy Representatives of Future Generations: A Comparative Analysis of Types and Design Features, in: Politics and Governance 12, Art. 7746 (21 Seiten). DOI: 10.17645/pag.7745

Dieser Blogartikel erschien zunächst in englischer Sprache auf https://sustainability-governance.net